Zeit seines Lebens beschäftigte sich der 1934 in den USA geborene Marshall Rosenberg mit der Frage, warum manche Menschen in Krisensituationen ruhig und gelassen bleiben, während andere aggressiv werden, schimpfen, schreien oder körperliche Gewalt anwenden bis hin zu Mord und Krieg. Um diese Frage zu klären, studierte er Psychologie und wurde Therapeut. Durch seinen Beruf kam er zu der Erkenntnis, dass ein Großteil der Menschen an den sozialen Strukturen verzweifeln, an dem Mangel von Wertschätzung, Nähe und Aufmerksamkeit, kurz, dem Mangel an Empathie.
Rosenberg suchte nach Wegen, dieses Problem anzugehen. Das Ergebnis seiner Suche war seine Methode der Gewaltfreien Kommunikation (GFK), die er in den folgenden drei Jahrzehnten auf der ganzen Welt lehrte, seit den 1980er Jahren auch in Deutschland. Da der eher in Bezug auf körperliche Verletzungen genutzte Begriff „gewaltfrei“ immer wieder zu Missverständnissen und Irritationen führte, wird er auch mit „wohlwollend“ oder „verbindend“ übersetzt.
In statischen, machtorientierten Gesellschaften wie der unseren sind laut Rosenberg Gespräche eher aufs Rechthaben und Gewinnen statt auf Verbindung ausgelegt. Das nennt Rosenberg die Wolfssprache oder Gewalttätige Kommunikation. Demgegenüber steht die gewaltfreie oder verbindende Kommunikation, auch Giraffensprache genannt. Die Giraffe hat ein großes Herz und behält ihrer Größe wegen auch in schwierigen Situationen den Überblick.
Wichtigste Elemente der GfK sind die Bedürfnisse und die Empathie, sprich, die Einfühlung mit uns selbst und mit anderen. Dazu gehört, dass wir uns sehr klar über unsere eigenen Bedürfnisse werden und lernen, diese klar zu formulieren und nach Wegen zu suchen, sie zu erfüllen. Denn sind die Grundbedürfnisse eines Menschen ganz oder teilweise nicht erfüllt, entsteht Gewalt, sei es in privaten Beziehungen oder in denen ganzer Völker. Ziel der gewaltfreien Kommunikation ist es, mit Hilfe des einfühlsamen Zuhörens die Bedürfnisse herauszufinden, deren Mangel einen Menschen wütend und ausfallend reagieren lassen und nach Wegen zu suchen, wie er oder sie sich diese Bedürfnisse auf friedliche Weise erfüllen kann.
Um dieses Ziel zu erreichen, entwickelte Rosenberg die vier Schritte von
So einfach und zielführend dieses Konzept auch ist: Leicht ist es nicht. Die gewaltfreie Kommunikation ist kein Schnellschuss, sondern ein spannender Prozess, auf den einzulassen sich nicht nur in unruhigen Zeiten lohnt.
Buchtipps:
Marshall Rosenberg kam 1934 in Ohio zur Welt und erlebte die Rassenunruhen der 1940er Jahre als weißer Jude in Detroit hautnah mit. Diese Zeit prägte ihn tief und er begann sich zu fragen, was die einen Menschen gewalttätig werden lässt, während andere selbst unter den widrigsten Umständen liebevoll und mitfühlend bleiben. Auf der Suche nach Antworten studierte er Psychologie, promovierte 1961, arbeitete als klinischer Psychologe und eröffnete seine eigene therapeutische Praxis. Ende der 60er Jahre gab er diese Praxis auf, um sich die folgenden drei Jahrzehnte voll und ganz dem zwischenzeitlich von ihm entwickelten Konzept der gewaltfreien Kommunikation (GfK) zu widmen. Seine Workshops und Vortragsreihen fanden überwältigenden Anklang und füllten große Säle.
Rosenberg war neben seiner Tätigkeit als Referent und Trainer als Vermittler in Kriegs- und Krisengebieten tätig und beriet Hunderte Lehrer und Schüler in als problematisch geltenden Schulen. 1984 errichtete er das Center for Nonviolent Communication in Texas, wo er zahlreiche Trainer und Trainerinnen persönlich ausbildete. In den späten 1980er-Jahren brachte er seinen Ansatz der Gewaltfreien Kommunikation nach Deutschland, wo seine Methode bis heute in Verbänden, Workshops und Übungsgruppen weitergegeben wird. Rosenberg starb 2015.